#102 – Was hat eine Umorganisation und ein Sportstudio gemeinsam?
Eine Reorganisation ist etwas, wozu sich ein Unternehmen entschließt, wenn sich herausstellt, daß es mehr Vorstandsmitglieder als Kunden hat. (Unbekannt)
Wann immer große Firmen in Schwierigkeiten kommen, werden sie umorganisiert, restrukturiert oder Teile verkauft.Die Erfolge all dieser Maßnahmen sind eher zweifelhaft. Aber da alle im Management gleich konditioniert sind, tun alle das gleiche. 2/3 aller Umorganisationen scheitern.
Da sind große Firmen nicht anders wie Menschen die nach dem Weihnachtsfest merken, dass der Bauch zu dick ist und sich im Fitnessstudio anmelden. Auch diese Menschen wollen im neuen Jahr ihr Leben ändern und gehen zum Training. Einmal, zweimal oder…Spätestens zur Osterzeit sind die meisten von Ihnen gescheitert, genau so ist es mit den Umorganisationen in den großen Firmen.
Umorganisation ist wie Innovation und läuft auch genau wie Innovation.
Wir Menschen teilen uns in mehrere Gruppen. Es gibt die Innovatoren, die nur eine sehr kleine Gruppe sind. Diese Innovatoren machen jede Änderung mit, aus Begeisterung und weil sie immer gerne das Neuste ausprobieren. Sie können sich dafür begeistern und das Neue muss nicht perfekt sein. Innovatoren erkennen bereits hier die Möglichkeiten die sich mit dem Neuen ergeben. Gerade mal 16 % aller Menschen gehören zu der Gruppe.
Danach folgt eine Gruppe, die Neuheiten nicht unbedingt ablehnend gegenüber stehen. Nennen wir sie einmal die Protagonisten in unserem Spiel. Diese 34% schauen sich das an, wovon die Innovatoren begeistert sind und haben noch Verbesserungsvorschläge. Das müsste man noch verbessern und dies noch hinzufügen. Wer diese Gruppe ignoriert, wird mit seiner Idee scheitern. Wer die Anregungen dieser Gruppe nicht sofort aufgreift, der scheitert mit seiner Innovation. Wer den Protagonisten aber zuhört und ihre Anregungen umsetzt kann Hoffnung haben.
Gelingt der Sprung einer Idee, einer Innovation, in diese Gruppe hat man die erste Hürde geschafft. Damit setzt sich eine Idee durch, weil 50% der Menschen davon begeistert sind. Hier beginnt die zweite Hürde.
Die nächsten 34% der Menschen, nennen wir sie mal die Antagonisten, sind nicht so aufgeschlossen und verlassen ungern ihre Komfortzone. Warum sollten sie sich ändern, es ist doch schon immer so gegangen. An diesem Punkt beginnen die “blutigen” Auseinandersetzungen. Und blutig meine ich hier ernsthaft. Es geht bei diesem Kampf oft nicht um Argumente es geht um Weltanschauungen. Die Antagonisten haben Ängste, die man ernst nehmen muss, wenn man wirklich mit einer Innovation gewinnen will.
Hat man diese Hürde überwunden, dann gewinnt eine Innovation oder eine Umorganisation ist erfolgreich.Die restlichen 16% der normalen Bevölkerung bekommen gar nicht mit, dass überhaupt etwas passiert. Das sind die Menschen, die sich erst ein Smartphone kaufen, wenn es keine normalen Telefone mehr gibt.
Fassen wir nochmal zusammen:
* Auslöser jeglicher Innovation ist eine kleine Gruppe von Menschen, die aus Begeisterung für das Neue eintreten. Die Innovatoren.
* Nur diese Gruppe hat Einfluss auf die Protagonisten. Die Protagonisten bewundern die Innovatoren haben aber immer Verbesserungsvorschläge.
* Die Antagonisten haben Angst vor Veränderung. Diese Angst muss ernst genommen werden, wenn man siegen will.
Wie laufen aber Umorganisationen in Großunternehmen an:
Der Vorstand beschließt die Umorganisation und ruft die Veränderung aus. Alle Führungskräfte sind nun aufgefordert diese Umorganisation umzusetzen und auch die Begeisterung in die Mannschaft zu tragen. (Die Begeisterung wird verordnet)
Jetzt handelt es sich bei den Führungskräften wohl um eine Gruppe von mindestens 16% aller Menschen des Unternehmens, aber man vergisst dabei die Tatsache, dass unter den Führungskräften auch nur die Normalverteilung zu finden ist!
Dies bedeutet, dass von den 16% aller Führungskräfte gerade mal 16% zu den Innovatoren gehören. Also nur 2,56% des Unternehmens haben die totale Begeisterung für die Umorganisation. Das ist ein Prozentsatz, bei dem das Scheitern schon in der Luft liegt. Dies reicht nicht aus, um die Protagonisten zu begeistern. In den wenigsten Fällen werden bei der Umorganisation Ideen der Protagonisten umgesetzt.
In einem kleinen Unternehmen oder in einem Startup wissen die meisten Mitarbeiter, was die Umorganisation bedeutet. Die Mehrheit ist begeistert, oder kann sich dafür begeistern.
Im Großunternehmen ist das nicht so. 2,56%
Was passiert jetzt?
1. Es werden neue Orgpläne gezeichnet und neue Namenschilder für die Abteilungen verteilt. (Das erweckt den Eindruck der Veränderung)
2. Teilbereiche der Organisation müssen umziehen. (Auch dies verstärkt den Eindruck der Veränderung)
3. Da durch die Maßnahmen 1 und 2 das operative Geschäft handlungsunfähig wird, tun die Mitarbeiter zunächst das, was sie vorher schon getan haben. (Sie organisieren sich selbst)
4. Es bildet sich eine Schattenorganisation an den offiziellen Prozessen vorbei. (Die Kreativität eines jeden ist jetzt gefordert)
5. Begünstigt wird dies alles durch die Abwesenheit der Führungskräfte. (Diese sind ja intensiv mit der Umorganisation beschäfftigt.)
6. Die Kreativität und der Cortisolspiegel aller Beteiligten steigt.
Scheitert eine Umorganisation?
Sie scheitert fast immer! Es fehlt die Begeisterung! Aber es gibt keiner zu. Ob sie erfolgreich ist, hängt einzig vom wirtschaftlichen Umfeld ab.
Geht es nach einer Umorganisation wirtschaftlich bergauf, wird der Vorstand behaupten die Umorganisation sei der Grund dafür. Der Vorstand feiert seinen Schritt und bereitet die nächste Umorganisation vor.
Geht es nach einer Umorganisation wirtschaftlich bergab, wird der Vorstand das wirtschaftliche Umfeld verantwortlich machen und Personal abbauen. Man nennt dies Optimierung der Kosten oder Restrukturierung.
Unternehmen sind wie Menschen. Was wir automatisch machen, machen wir immer weiter. Nur mit großem Aufwand können wir uns ändern. Oder mit großer Begeisterung.
Das wusste man aber schon bei den alten Römern.
“Wir übten mit aller Macht, aber immer wenn wir begannen , zusammengeschweißt zu werden, wurden wir umorganisiert. Ich habe später gelernt, dass wir oft versuchten, Verhältnissen durch Umorganisation zu begegnen. Es ist eine phantastische Methode. Sie erzeugt die Illusion des Fortschritts, wobei sie gleichzeitig Verwirrung schafft, die Effektivität vermindert und demoralisierend wirkt.” Titus Petronius (14 – 66 n Chr.)
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