intensiv

#139 – Die Dummheit der Gruppe

Ich lese gerade ein sehr interessantes Buch von Gunter Dueck. „Schwarmdumm – so blöd sind wir nur gemeinsam“.

Viele von uns haben das Wort von der Schwarmintelligenz bestimmt schon einmal gehört. Bei der Schwarmintelligenz geht man davon aus, dass, wenn viele eine Entscheidung fällen ohne sich gegenseitig zu beeinflussen, eine intelligente Lösung heraus kommt, die besser ist als die Idee eines Einzelnen.

Wir Menschen sollen in so einer Gruppe intelligente Entscheidungen fällen.

Das scheint zu stimmen, wenn es sich bei der Gruppe um ein Gruppe engagierter und gleichberechtigter Menschen handelt. Gibt es Rangunterschiede funktioniert das schon nicht mehr. Wie ist das in einer Gruppe in der Menschen Angst haben und eventuell mit Konsequenzen rechnen müssen. Sagt man da seine Meinung, auch wenn der Chef anderer Meinung ist? Was ist wichtiger Karriere oder freie Meinungsäußerung?

Kann man in so einer Gruppe intelligent sein?

In so einer Gruppe handelt jeder opportunistisch. Der opportunistische Chef drückt seine Meinung durch, der opportunistische Mitarbeiter stimmt zu, weil er den Job nicht riskieren will. Da hilft es auch nicht wenn der Chef sagt: Seien sie doch mal frei ´raus kreativ.

Auch ein Ideenworkshop führt hier nicht zu besseren und intelligenteren Entscheidungen.

Im Buch von Gunter Dueck habe ich zum erstmalig etwas vom Dunning-Kruger-Effekt gelesen. Hierzu finden wir in Wikipedia folgende Erklärung:

„Wenn jemand inkompetent ist, dann kann er nicht wissen, dass er inkompetent ist. […] Die Fähigkeiten, die man braucht, um eine richtige Lösung zu finden, [sind] genau jene Fähigkeiten, die man braucht, um eine Lösung als richtig zu erkennen.“

– (David Dunning)

Diese Gesetzmäßigkeit erklärt vieles, wenn nicht alles, was ich in meinem täglichen Umfeld zum Teil erlebe. Mittelmäßigkeit, Ignoranz und oft Unfähigkeit in allen Bereichen. Die Verantwortlichen erkennen das nicht (Dunning-Kruger-Effekt) und die ihnen unterstellten Mitarbeiter machen mit aus purem Opportunismus.

Da fällt mir gerade das Märchen „Des Kaisers neue Kleider ein“. Ein Kind lässt den Schwindel auffliegen. Kinder sagen was sie denken.

Der Wirtschaftswissenschaftler George A. Akerlof hat in seinem berühmten Aufsatz The Market for Lemons den Gebrauchtwagenmarkt untersucht und nachgewiesen, dass freie Märkte nicht funktionieren, wenn Käufer und Verkäufer ungleichen Zugang zu Information haben. Da unvollständig informierte Kaufinteressenten nicht zwischen minderwertigen und höherwertigen Angeboten unterscheiden können, sind sie nicht bereit, angemessene Preise für die besseren Autos zu zahlen. Deren Besitzer zögern daher, sie anzubieten. (Wikipedia)

Die guten Anbieter verschwinden vom Markt und irgendwann gibt es nur noch minderwertige Angebote.

Nochmal zum Vertiefen: In Märkten in denen die Käufer und Verkäufer ungleichen Zugang zu Informationen haben, verschwinden die guten Angebote.

Diesen Zustand haben wir heute in vielen Bereichen erreicht. Kennst Du alle Informationen zu den Dingen und Dienstleistungen die Dich täglich umgeben. Deinen Handyvertrag, deinen Vertrag mit dem Stromanbieter, die Bedingungen Deiner Bank, die Produkte Deiner Bank? Überall gibt es ein asymmetrisches Informationsverhältnis was zur Folge hat oder haben wird, dass die guten Anbieter verschwinden.

Übrig bleiben die schlechten Angebote, die Mittelmäßigkeit. Firmen vergleichen sich immer gegenseitig und nennen das Benchmarking. Wenn die eigene Firma vor der Konkurrenz liegt, ist man zufrieden.

Wenn der Durchschnitt aller Firmen bei 3,8 auf der Notenskala liegt und meine eigene Firma hat 3,2 dann sind wir besser als die Konkurrenz – aber eben nicht gut!

Wenn ich besser bin als mein Kollege bin ich zufrieden. Das bedeutet aber nicht, dass ich gut oder sehr gut bin. Benchmarking ist die Nivellierung auf das Mittelmaß.

Um besser zu werden, müssen die Kosten gesenkt werden bzw. man erhöht die Auslastung. Hier hat Gunter Dueck etwas geniales beschrieben. Er erklärt die Formeln für die Warteschlange.

(1) Erwartete Anzahl von Kunden an der Kasse = Auslastung /(1-Auslastung)

(2) Länge der Schlange = Auslastung x Erwartete Anzahl der Kunden an der Kasse

Beim Thema Auslastung wird nämlich immer nur dieser Wert betrachtet und als wirtschaftliche Größe gesehen. Schaut man sich die mathematischen Formeln der Warteschlange an, dann ist dies aber falsch.

Beispiel: Die Mitarbeiter haben aktuell 85% Auslastung bei einem Stundenlohn von 20€. Dies bedeutet eine mittlere Warteschlangenlänge von 4,8. Der Controller startet sein Plus Plus Plus (Triple +)Programm und erhöht die Auslastung der Mitarbeiter auf 90%. Seine Mathematik sagt ihm, dass der Mitarbeiter bei höherer Auslastung mehr Kunden für die 20€ pro Stunde bedienen kann.

Die Warteschlangenformel ergibt aber jetzt bereits eine Schlange von 8,1. Die Zahl der Kunden pro Kasse hat sich verdoppelt. Dem Controller reicht das nicht er erhöht die Auslastung auf 95%. Die Warteschlangenformel ergibt nun 18,1 Kunden pro Kasse im Durchschnitt. Im Laden herrscht das Chaos. Die Kunden verlassen die Schlange ohne etwas zu kaufen. Die Umsätze sinken. Was wird der Controller tun? Ja richtig die Auslastung weiter erhöhen. Er kann nicht anders.

Diese Optimierung hat bereits vieles zerstört. Endlose Warteschlangen bei der Hotline, beim Servicetelefon. Endlose Antwortzeiten bei Anfragen in der Zentrale. Endlose Antwortzeiten für eine Entscheidung. Ein Manager der zu 95% ausgelastet ist, hat bereits 18,1 Probleme auf dem Schreibtisch, der wartet praktisch geradezu auf mein Problem oder?

Entscheidungen werden nicht mehr gefällt, weil man gar nicht mehr entscheiden kann welches dieser 18,1 Probleme das wichtigste ist.

Niemand wehr sich aber gegen diesen Wahnsinn. Niemand sieht die Mathematik hinter diesem Problem. So werden wir als Gruppe immer dümmer.

Dranbleiben – es gibt noch Hoffnung.