#176 – Smartphones ein Fluch für die Gesellschaft?
Als ich am Sonntag spazieren gegangen bin, habe ich einen Jungen Vater überholt, der sein Kind im Kinderwagen vor sich her geschoben hat. Das Kind hat aufmerksam in der Gegend herumgeschaut, was man von seinem Vater nicht behaupten kann. Der schaute gebannt auf das Smartphone und ignorierte sein Kind.
Das Kind war nicht gelangweilt sondern neugierig und lachte mir sofort zu.
Diese Situation ist inzwischen kein Einzelfall. Was läuft hier ab? Was passiert mit unseren Kindern und wohin entwickelt sich diese Gesellschaft?
Alles was wir wahrnehmen hat einen Einfluss auf die Entwicklung unseres Gehirns. Jeder Reiz und jede Emotion verändern die Verknüpfungen oder verstärken sie. Man geht inzwischen davon aus, dass man bis ins hohe Alter neue Verknüpfungen anlegen kann und unser Gehirn immer noch dazu lernt. Mit zunehmenden Alter wird nur die Geschwindigkeit langsamer. Im Kindesalter wird unser Gehirn förmlich permanent umgebaut und die Verknüpfungen wachsen rasant. Kinder interessieren sich für alles um sie herum. Sie fassen es an, sie schauen es an, sie versuchen die Umwelt zu begreifen. In diesen frühen Jahren werden große Teile des Gehirns geprägt. Wenn wir diese Zeit nutzlos vor dem leuchtenden Rechteck verbringen, wird es später schwierig.
In diesen frühen Jahren bilden sich auch die Grundlage für unsere soziales Verhalten. Was lernt das Kind? Da gibt es ein leuchtendes Rechteck, was für die Menschheit sehr wichtig ist.
In meinem Buch habe ich über ein Experiment berichtet, das Gerald Hüther in einem Vortrag erzählt hatte.
Sechs Monate alten Babys wurden drei Animationen gezeigt.
- Erste Animation, ein gelbes Männchen krabbelt mühsam einen Berg hinauf.
- Zweite Animation, das gelbe Männchen krabbelt mühsam den Berg hinauf, hinter ihm ein grünes Männchen, dass es immer wieder anschiebt, ihm hilft.
- Dritte Animation, das gelbe Männchen krabbelt den Berg hoch und oben wartet ein blaues Männchen. Als das gelbe Männchen oben ist, schubst das Blaue es wieder hinunter.
Den Babys wurden jeweils das grüne und das blaue Männchen als Figuren vor die Nase gestellt. Alle Babys wählten das grüne Männchen! Alle wählten den Unterstützer!
Bei gleichem Versuch mit Einjährigen Babys wählten bereits 10-20% das blaue Männchen!
Kinder unter einem Jahr können noch nicht lesen und schreiben. Sie können noch nicht einmal reden. Aber irgendwie haben 10-20% in ihrer Umwelt das rücksichtslose Verhalten des blauen Männchen beobachtet und übernommen. Kinder lernen bereits im Alter unter einem Jahr durch ihre Umgebung. Deshalb ist es auch nicht unwesentlich für die Entwicklung des Kindes, was die Menschen in der Umgebung tun.
Das Gehirn eines Kindes lernt jeden Tag viele Dinge hinzu. Nicht durch unsere Worte, sondern durch unsere Taten. Und was sind das für Taten? Eltern die ihr Kind ignorieren und auf ein leuchtendes Rechteck starren. Das kindliche Gehirn nimmt hierbei mit, dass es wichtigere Dinge gibt als das Kind selbst. Nämlich dieses leuchtende Rechteck. Welche Verknüpfung wird sich abspeichern? Wir lernen durch Erfahrung.
Das Kind wird es später als normal erachten, dass man einen Mitmenschen für so ein leuchtendes Rechteck einfach ignorieren kann. Das Kind wird sich für dieses leuchtende Rechteck interessieren. Soziale Kontaktfähigkeit beginnt in der Kindheit.
Wir kommen auf die Welt mit zwei wichtigen Zielen: Geborgenheit und Anerkennung, dem Drang uns zu entwickeln und der Welt unseren Stempel aufzudrücken. Im Bauch unserer Mutter haben wir uns neun Monate entwickelt und waren trotzdem geborgen. Das ändert sich nach der Geburt schlagartig. Plötzlich sind das zwei Seiten einer Medaille die sich widersprechen. Wenn wir uns entwickeln verlieren wir oft die Geborgenheit unserer Mitmenschen oder die Geborgenheit hemmt unsere Entwicklung.
Diese Geborgenheit ist oft das Lachen und der Gesichtsausdruck der Menschen um uns herum. Das Kleinkind erkennt im Gesicht der Eltern die Stimmung, die Bewertung und den Ansporn. Dieses Gesicht schaut jetzt aber auf das leuchtende Rechteck.
Man geht heute gemeinhin davon aus, dass der Charakter eines Menschen bereits in früher Kindheit geprägt wird. Man geht inzwischen auch davon aus, dass die grenzenlose Neugier und Kreativität unserer Kinder bis zum Ende der Schulzeit komplett beseitigt wird.
Es ist nicht egal was wir tun! Kinder sind wichtiger als Smartphones. Menschen sind wichtiger als Smartphones.
Dranbleiben – es gibt noch Hoffnung!
Interessanter Beitrag hierzu :
http://www.spielundzukunft.de/kinderzeit/lernen-und-schule/1051-gerald-huether-so-lernen-kinder
http://www.dijg.de/ehe-familie/forschung-kinder/vertrauen-entwicklung-hirn/