#88 – Was sind gemeinsame Werte und warum brauchen wir sie?
Wenn es um Europa geht, wird gerne der Begriff der gemeinsamen Werte strapaziert. Was sind eigentlich Werte und warum braucht man sie?
Wir Menschen können maximal mit 150 Menschen befreundet sein. Dunbar hat das wissenschaftlich ermittelt und in meinem Blog 82 habe ich darüber ausführlich geschrieben.
Größere Gruppierungen sind nur möglich, wenn es eine äußere Bedrohung gibt oder die Menschen gemeinsame Werte, gemeinsamen Glauben, Empathie und Vertrauen. Der Einzelne strebt immer nach persönlicher Entwicklung und Geborgenheit.
Der Zusammenhalt in größeren Gruppen durch eine äußere Bedrohung geht verloren, wenn die äußere Bedrohung verschwindet. In der Geschichte können wir sehen, das ganze Staaten so zusammengehalten wurden. Wenn es durch Propaganda gelingt, die Bedrohung aufrecht zu erhalten, bleiben solche Staaten stabil. Manchmal wurden auch schon Kriege geführt, um die eigene Gruppe zusammen zu halten und den Anderen zu bekämpfen. (Ob hier die Vergangenheitsform stimmt, darf bezweifelt werden.)
Europa als große Gemeinschaft nahm seinen Anfang nach dem Zweiten Weltkrieg. Man wollte eine solche Katastrophe für alle Zeiten verhindern und eine Gemeinschaft bilden auf Basis der Werte der französischen Revolution und der Aufklärung.
Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit. Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Alles Werte, die den Gründungsmitgliedern gemeinsam waren. Hinzu kam die äußere Bedrohung durch den Warschauer Pakt und die Sowjetunion. Wir hatten also Werte und äußere Bedrohung? Doppelte Voraussetzungen.
Machen wir uns nichts vor, wirtschaftliche Interessen waren von Anfang an bedeutend. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) war der Name dieser Gemeinschaft.
Wirtschaftliche Interessen sind immer auch die Interessen von ein paar wenigen Mitgliedern der Gesellschaft. Die große Mehrheit erwartet von Wirtschaft die Erfüllung der Grundbedürfnisse, sichere Arbeit und eine Entwicklung zum Besseren. Wobei “das Bessere” Definitionssache ist.
Also doch eine Gemeinschaft aus Wirtschaftsinteressen und äußere Bedrohung?
Die Wirtschaft in der EU hat sich jahrelang prächtig entwickelt. Unsere Grundbedürfnisse wurden erfüllt. Wir haben eine gemeinsame Währung, können Reisen ohne Probleme. Sichere Arbeit wurde von den Verantwortlichen nicht erreicht. Es war wohl auch nie wirklich in ihrem Interesse. Aber die Gewinne haben sich super entwickelt. Wenn man sich bei einer Investition verzockt, springt irgend eine Regierung ein, oder noch besser ein europäischer Rettungschirm. Dieser Rettungsschirm sorgt dafür, das alle Bürger der EU, und besonders die Schwachen und Bedürftigen, denen das Vermögen sichern, die mit diesem Vermögen seit Jahren ein bedingungsloses Grundeinkommen haben.
Welche Werte vertritt die EU für uns? Und was für eine Rolle spielen Werte für eine Erweiterung wirklich?
Oder geht es nur um die Vergrößerung des Marktes? Damit das Spiel weitergeht, bis zur nächsten Finanzkrise?
Große Einheiten / Staaten können nur durch gemeinsame Werte zusammen gehalten werden! Oder durch gemeinsamen Glauben! Oder durch äußere Bedrohung!
Welchen Weg werden die Verantwortlichen gehen? Scheitert der Euro, dann scheitert Europa. Das soll uns Angst machen. Und was bedeutet das? Kann etwas scheitern, das nur eine wirtschaftliche Veranstaltung ist?
Werte sind uns nicht angeboren. Sie müssen gelebt und vorgelebt werden. Wir lernen sie durch Adaption und Vorbilder. Wo sind diese Vorbilder in Politik und Gesellschaft? Wo in der Familie? Kann eine Kindertagesstätte Werte vermitteln? Eine Schule?
Wenn man darüber genauer nachdenkt, sind alle Separationsbestrebungen innerhalb der EU verständlich, ja sogar normal. Für die Menschen werden hier keine Werte vertreten. Sie finden sich in den Entscheidungen der Verantwortlichen nicht wieder. Wie könnten wir das auch, wenn diese Entscheidungen undemokratisch hinter verschlossener Tür stattfinden.
Wer Dunbar verstanden hat, versteht auch die Menschen.
Dranbleiben – es gibt noch Hoffnung