#184 – Warum Optimierungen nicht mehr greifen.
“Vernetzte Systeme haben ihre Eigenheiten”
In unseren Betrieben wird regelmäßig restrukturiert, umstrukturiert, Abteilungen zusammengelegt, Abteilungen getrennt und und und.
Die Betriebswirtschaftslehre lehrt uns, dass man jedes Einzelsystem (Abteilung) auf Effizienz optimieren soll.
Dies bedeutet maximaler Output bei minimalen Kosten. Das bedeutet auf der einen Seite Reduzierung der Kosten durch niedrigere Löhne und auf der anderen Seite Erhöhung der Auslastung. Das soll für die Firma das Beste sein.
Die Reduzierung der Löhne stößt hierbei in unserem demokratischen System meisten an eine moralische Untergrenze oder einen tariflich festgelegten Lohn. Oberstes Ziel ist somit die Erhöhung der Auslastung und Kostensenkung!
Jeder Prozess wird in kleine Einzelprozesse zerlegt, welche mit einfachen Arbeiten erledigt werden können. Hierfür kann man dann auch geringere Löhne bezahlen. Die Auslastung muß steigen!
Jahrzehntelang hat dieses Vorgehen die Produktivität enorm gesteigert. Die industrielle Produktion ist ein glänzendes Beispiel dieses Erfolges.
Jahrzehntelang hatten die Prozesse oft relativ wenig miteinander zu tun und die Einzeloptimierung musste zum Erfolg führen.
Die Zeiten haben sich aber geändert. Das Internet und die Digitalisierung haben vernetzte Welten geschaffen. Jeder Einzelprozess ist heute mit jedem anderen Einzelprozess verbunden. Erfolg ist heute die Folge eines Netzwerkes. Eines funktionierenden Netzwerkes.
Es gibt zwei Gesetzmäßigkeiten welche eine weitere Optimierung nach der alten Vorgehensweise nicht mehr zulassen und zwangsläufig in die Katastrophe führen.
Das ist einmal die Warteschlangenformel und Brooks Gesetz.
Die Warteschlangenformel beschreibt mathematisch den Zusammenhang zwischen Auslastung und der Warteschlange in der Bearbeitung des Prozesses. Sehr deutlich habe ich das in dem Artikel über die Serviceabteilung beschrieben.
Brooks Gesetz besagt, dass das hinzufügen von Personen zu einem verspäteten Projekt das Projekt weiter verzögert. Der wichtigste Grund hierfür ist die Zunahme der Kommunikationsbeziehungen zwischen den Menschen. Mehr Mitarbeiter bedeutet mehr Kommunikation. Mehr Schnittstellen in einer Matrixorganisation bedeuten mehr Abstimmung und noch mehr Kommunikation. Ich habe schon einmal in folgendem Blogbeitrag erläutert: http://ikeanet.de/homepage2013/132-weisst-du-wie-du-gott-zum-lachen-bringen-kannst-erzaehle-im-deine-plaene/
Eines möchte ich hier klarstellen :
Kommunikation ist keine Arbeit !
Kommunikation ist oft eine Vorraussetzung dafür eine Arbeit korrekt zu erledigen. Aber Kommunikation um der Kommunikation Willen ist unnütz.
Wer in einem Meeting sitzt und kommuniziert, der arbeitet nicht! Immer mehr Manager verwechseln Kommunikation mit Arbeit, was ein Fehler ist.
Wir haben zuviel Schwätzer und zu wenig Macher!
Kommunikation ist notwendig um die Arbeiten richtig zu machen, aber Kommunikation behindert. Jede Erhöhung der Kommunikationsschnittstellen bei gleichzeitiger Erhöhung der Warteschlange (Auslastung) führt zu einer weiteren Reduzierung der Arbeit. Vernetzte System drohen zu kollabieren.
Wie bei der Serviceabteilung folgt hier ein einfaches Beispiel:
Bisher wurden die Bestellungen der Kunden von einer Abteilung „Abwicklung“ bearbeitet. Diese Abteilung bestand aus 10 Mitarbeitern, welche unterschiedliche Qualifikationen hatten, sich ergänzten und zu ca. 85% ausgelastet waren. Insgesamt wurden pro Tag ca. 170 Anfragen/Aufgaben erledigt.
40% aller Anfragen/Aufgaben waren schwierige Fragen. Bei schwierigen Fragen klärten die Mitarbeiter mit einer Abteilung „Beratung“ die Details, bevor es zur Bestellung kam.
Die Kommunikationsbeziehungen lauten wie folgt:
60% : Kunde – Abwicklung ->Auftrag
40% : Kunde – Abwicklung -Beratung- Abwicklung -> Auftrag
Abwicklung – 4 Kommunikationsbeziehungen
Beratung – 2 Kommunikationsbeziehungen
Rechnet man mit 5 Minuten pro Kommunikationsbeziehng und 10 min für die durchschnittliche Bearbeitung einer Anfrage, dann ergibt sich folgender Sachverhalt.
Die Abwicklung hat 476 Kommunikationsbeziehungen und 170 Aufgaben. Das macht eine Warteschlange von 4,82.
Die Beratung hat knapp 136 Kommunikationsbeziehungen und 68 Aufgaben pro Tag. Bei 4 Mitarbeitern ergibt das eine Auslastung von 70,8% und eine Warteschlange von 1,72.
Die durchschnittliche Bearbeitungszeit für den Kunden waren maximal 0,1 Arbeitstage.
Da die Kundenanfragen sich in der Qualität unterscheiden, manche einfach zu beantworten sind und nur 40% technisch geklärt werden mussten, kam man auf die Idee, die Abteilung „Abwicklung“ in zwei Bereiche zu teilen. Einen mit der einfachen Abwicklung und zukünftig niedrigen Gehältern und eine mit der technisch komplizierter Abwicklung den man „Technischer Support“ oder „TS“ nannte.
Zusätzlich sollte dies zu deutlich besserer Auslastung der „Beratung“ führen, damit auch hier eine Optimierung durchführbar wäre.
Randbedingungen:
Ungefähr 50% aller schwierigen Anfragen sollte der „TS“ alleine klären und die anderen 50% mit Hilfe der „Beratung“.
Gehen wir weiter davon aus, dass zunächst 2 Mitarbeiter von der Beratung zum „TS“ versetzt werden. Alle anderen Vorraussetzungen (170 Aufgaben ) bleiben identisch .
Die Kommunikationsbeziehungen ergeben sich damit wie folgt:
60% Kunde – Abwicklung -> Auftrag
20% Kunde – Abwicklung – TS – Abwicklung -> Auftrag
20% Kunde – Abwicklung – TS – Beratung – TS – Abwicklung -> Auftrag
Abwicklung – 4 Kommunikationsbeziehungen
Technischer Support – 4 Kommunikationsbeziehungen
Beratung – 2 Kommunikationsbeziehungen
Die „Abwicklung“ hat somit weiterhin 476 Kommunikationsbeziehungen und 170 Aufgaben. Die Auslastung bleibt bei 85%.
Der „Technische Support“ hat 204 Kommunikationsbeziehungen und 68 Aufgaben.
Die Auslastung liegt sofort bei 177% und diese neue Abteilung versinkt im Chaos.
Die „Beratung“ hat 34 Kommunikationsbeziehungen und 68 Aufgaben. Ihre Auslastung bleibt bei 70,8%.
Die Verantwortlichen der „Beratung“ feiern die Maßnahme als Erfolg, da man die Mitarbeiteranzahl hier auf 2 reduziert hat.
Die durchschnittliche Bearbeitungszeit für den Kunden steigt jetzt auf über 2,3 Tage.
Das führt zu zusätzlicher Kommunikation mit dem Kunden, da er nachfragt, wo denn sein Angebot bleibt. Diese zusätzliche Kommunikation verschlechtert die Situation (Auslastung) zusätzlich.
- Gleiche Anzahl an Menschen,
- gleiche Anzahl an Anfragen,
- aber andere Organsisationsform und das Chaos ist da.
- Nur weil man an einer Stelle Kosten sparen wollte.
Die Schnittstellen und Kommunikationsbeziehungen sind das Problem.
Zwei Gesetzmäßigkeiten sind in vernetzten Systemen zu beachten:
Die Warteschlangenformel und die Anzahl der Kommunikationsbeziehungen.
Wir leben heute in einer Zeit, in der niemand alleine etwas tun kann. Menschen und Systeme sind miteinander vernetzt und langfristiger Erfolg, ist die Folge dieses Netzwerkes. Die klassische BWL optimiert einzelne Bereiche ohne das Gesamtsystem im Blick zu haben. Hierzu sind bestimmte Kenngrößen, sogenannte KPIs definiert. Nach diesen Kenngrößen werden die Mitarbeiter eines Bereiches oft auch incentiviert ohne Blick auf das Netzwerk, ohne Blick auf die Funktionsfähigkeit eines ganzen Unternehmens.
Dranbleiben – es gibt noch Hoffnung!